Von den beiden Fotos, die die F.A.Z. von ihrer Fotografin Barbara Klemm veröffentlichte, zeigt eins Mutter und Sohn im Gespräch beim Kölner Konzert.

Biermanns Mutter, Oma Meume und die DKP

Die Mutter von Wolf Biermann war Kommunistin in der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Ausbürgerung ihres Sohns bekam sie DDR-Einreiseverbot.

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Im November 1976 saß ich im Kölner Konzert von Wolf Biermann; nach diesem wurde er aus der DDR ausgebürgert. Ich war Mitglied der DKP — wie Emmi Biermann, die auch in der Halle saß. Man kannte sie kaum, anders als “Oma Meume”, und die von Biermann auf Platten besungen wurde. Hier der Brief, den Biermanns Mutter an die von der SED finanzierte DKP-Zeitung “unsere zeit” (UZ) schrieb:

Emmi Biermann
2 Hamburg 13
Schlankreye 15

27. Dezember 1976

An unsere Parteizeitung „UZ“

Zu Weihnachten wollte ich meine Schwiegertochter und meine Enkelkinder in der DDR, in Berlin besuchen. Am Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße gab ich, wie bei allen früheren Besuchen, meinen Pass ab und die bereits bewilligte Aufenthaltsgenehmigung für die Zeit von Weihnachten bis Neujahr. Nach langer Wartezeit wurde ich aufgerufen, und zwei Offiziere forderten mich auf, mitzukommen. In einem Seitengang teilten sie mir kurz und kalt mit: „Sie dürfen die DDR mehr betreten!“

Ich konnte das einfach nicht fassen und sagte zu dem älteren von beiden: Das könnt ihr doch mit mir nicht machen! Ich bin eine alte Genossen! Ich war immer aktiv, ich habe gegen die Nazis gekämpft, ich habe illegale Parteiarbeit gemacht, auch in der schweren Zeit des KPD-Verbots! Ich habe am Hamburger Aufstand als Kurier teilgenommen. Und ich habe in der März-Aktion mitgekämpft! Warum läßt man mich nicht rein?

Aber die Offiziere gaben mir meinen Pass zurück und sagten: Wir haben nur den Auftrag, Ihnen das mitzuteilen!

Ich weinte und fragte, ob ich nicht wenigstens mit einem Tagespassierschein die Kinder einmal sehen darf und die Weihnachtsgeschenke hinbringen. Da wiederholte der eine Offizier mit einer Betonung, als wolle er sagen: Nu kapiert doch endlich, du altes dummes Weib! „Frau Biermann, Sie dürfen die DDR nicht mehr betreten!“

Ich konnte nur noch weinen und weinen und stand da und fragte: Und wann darf ich wieder rein? — Die Offiziere zuckten nur mit den Achseln und ließen mich stehen. Dann fuhr ich wie versteinert mit meinen Weihnachtsgeschenken zurück nach Hamburg.

Mein Sohn lebt seit 1953 als Bürger in der DDR. Was ihm jetzt geschehen ist, wurde inzwischen allgemein bekannt. Bekannt wurden auch die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die ich nicht teile. Angeblich erfolgte die Ausbürgerung wegen des Kölner Auftritts. Ich war selbst dabei und habe die viereinhalb Stunden aufmerksam verfolgt und auch immer mit dem kritischen Blick einer Kommunistin und nicht wie eine schlechte Mutter, die immer von ihren Kindern begeistert ist. Ich würde meinem Sohn nicht beistehen, wenn er unserer Sache, für die sein Vater in den Tod gegangen ist, schaden würde. Alles was Wolf in Köln vorgetragen hat, war den Genossen in der DDR bekannt und in Büchern und auf Schallplatten das meiste veröffentlicht. Und für all das hat die DDR außerdem jahrelang Westdevisen kassiert. Alle konnten sehen und selber beurteilen, daß Wolf sich in Köln und in allen anderen Städten, in denen er vor tausenden Menschen seine Lieder sang, solidarisch mit der DDR verhalten hat, trotz all der angebrachten Kritik. Ich weiß auch, daß Wolf die Reise nur angetreten hat, weil ihm versichert worden war, daß er selbstverständlich in sein Vaterland zurückkehren darf. Die Ausbürgerung erfolgte auf eine so feige und hinterhältige Weise, daß ich mich für meine Genossen, die das verbrochen haben, schämen muss.

Niemals hat man sich mit Wolf öffentlich kritisch auseinandergesetzt, obwohl ich auch die Genossen vom „ND“ schon vor Jahren in einem Brief darum gebeten hatte. Mein Brief wurde nicht veröffentlicht und nicht einmal beantwortet. Hetzartikel in unserer Parteizeitung ersetzen keine öffentliche Aussprache im sozialistischen Sinne.

Warum schlägt man jetzt auch gegen mich? Was ich — Genossin seit 1919 — verbrochen haben könnte, ist mir nicht bekannt und wurde mir bei der Abweisung an der Grenze von den Offizieren, die sich Genossen nennen, auch nicht erklärt. Genosse, gibt es denn noch heute und ausgerechnet in der DDR so etwas, was man früher Sippenhaft nannte?

Von den führenden Genossen in der DDR erwarte ich, daß mir die Einreise wieder erlaubt wird. Ich habe ein moralisches Recht darauf, daß ich in den wenigen Jahren, die ich noch leben werde, meine Enkelkinder, meine Genossen und Freunde in der DDR besuchen kann.

Ich bitte um die Veröffentlichung meines Briefes in der „UZ“, damit meine Genossen in der DKP dazu Stellung nehmen können.

Mit sozialistischem Gruß
[Unterschrift]

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